Focusing ist eine Art
innerer, körperlicher Aufmerksamkeit, die einige wenige Menschen natürlicherweise
kennen, die den meisten jedoch noch unbekannt ist. Es bedeutet nicht einfach, mit
Emotionen oder Gefühlen in Kontakt zu sein, und es bedeutet auch nicht, sich über sich
selbst "im Kopf" Gedanken zu machen und Vermutungen anzustellen. Es ist vielmehr
ein Weg, eine körperliche Empfindung - wir nennen sie einen FELT SENSE - dazu zu
bekommen, wie es einem in einer bestimmten Lebenssituation geht. Dieser felt sense ist
zunächst unklar und vage. Wenn wir ihm jedoch Aufmerksamkeit schenken, wird er sich in
Worten oder Bildern ausdrücken, was oft zu kleinen Veränderungs- und Handlungsschritten
und neuen Gedanken führt. Um diesen Vorgang zu erlernen, braucht man gewöhnlich einige
Sitzungen mit entsprechender Anleitung. Allgemeine Beschreibungen können Focusing nicht
angemessen vermitteln. Das Buch
Focusing (siehe unten unter Literaturhinweise) beschreibt sechs Focusing-Schritte auf eine
allgemeinverständliche Weise. Sie können die sechs Schritte jetzt ausprobieren, indem
Sie die untenstehenden Anweisungen (s.u. unter Focusing-Manual) befolgen.
Entwickelt wurde Focusing von Eugene T.
Gendlin an der Universität Chicago. Er entdeckte, dass in Therapien diejenigen Klienten
erfolgreicher sind, die während der Therapiesitzungen Focusing durchführten. In einem
Buch für TherapeutInnen, Focusing-Oriented Psychotherapy (das auch für Laien lesenswert
ist), wird gezeigt, wie Focusing in jede Art von Therapie integriert werden kann.
Online-Diskussionsliste
Es gibt eine E-Mail-Diskussionsliste, die dem Thema Focusing gewidmet ist. Alle,
die an Focusing interessiert sind, sind willkommen! Wenn Sie an der Liste teilnehmen
möchten, senden Sie eine E-Mail an focusing-discuss-request@rivertown.net. Tragen Sie in
der Subject-Zeile das Wort "subscribe" ein und lassen Sie das Nachrichtenfeld
frei.
Wenn Sie in die Focusing-Addressenliste
aufgenommen werden möchten, um Informationsmaterial zugeschickt zu bekommen, oder wenn
Sie Fragen haben, die auf diesen Web-Seiten nicht beantwortet werden, schicken Sie bitte
eine E-Mail an info@focusing.org. Wir würden uns freuen, Ihnen behilflich zu sein.
Focusing-Manual
Der innere Akt des Focusing lässt sich in sechs Hauptteile oder -bewegungen
aufteilen. Sobald Sie darin einige Erfahrung haben, werden Sie den Prozess als ein Ganzes
und nicht mehr in verschiedene Teile zergliedert durchführen können. Diese Aufteilung
lässt ihn mechanischer erscheinen, als er ist oder als er Sie später anmuten wird.
Betrachten Sie dieses Kapitel lediglich als
Einführung. In Sprechstunden können wir diese Grundkenntnisse erweitern, vertiefen und
aus anderen Blickwinkeln betrachten. Schliesslich vielleicht nicht beim ersten
Versuch, aber am Ende werden Sie die bereichernde neue Erfahrung einer inneren
Bewegung erleben können.
Einen Raum schaffen
Erst bitte ich Sie, einmal ganz ruhig zu sein. Entspannen Sie sich einen Moment.
Nun achten Sie auf Ihr Inneres, auf Ihren Körper, vielleicht auf Ihren Magen oder Ihre
Brust. Achten Sie darauf, was dort vor sich geht, wenn Sie fragen: Wie steht es mit
meinem Leben? Was ist im Moment für mich das Wichtigste?" Horchen Sie auf Ihren
Körper und lassen Sie die Antworten langsam von dort kommen. Wenn etwas auftaucht,
dringen Sie nicht hinein. Treten Sie einen Schritt zurück, sagen Sie: Ja, das ist
da. Ich kann es hier fühlen." Lassen Sie einen kleinen Raum offen zwischen ihm und
Ihnen. Dann fragen Sie, was Sie sonst noch fühlen. Warten Sie erneut auf die Antwort.
Normalerweise sind es mehrere Dinge.
Felt Sense
Wählen Sie eines unter den soeben aufgetauchten Problemen aus. Dringen Sie aber
nicht hinein. Treten Sie einen Schritt zurück. Natürlich hat das Problem, mit dem Sie
sich beschäftigen, viele Aspekte zu viele, um an jeden davon einzeln zu denken.
Sie können aber alle diese Aspekte gleichzeitig fühlen. Achten Sie auf die Stelle, an
der Sie gewöhnlich Gefühle empfinden und sehen Sie, welches Gefühl das Problem in
seiner Gesamtheit in Ihnen auslöst. Lassen Sie dieses komplexe Gefühl auf sich wirken.
Finden eines Griffs"
Welcher Art ist dieser unklare felt sense?" Lassen Sie ein Wort, einen
Satz, ein Bild aus dem felt sense" entstehen. Es kann ein Eigenschaftswort sein
wie eng, schmutzig, angsteinflössend, blockiert, schwer, nervös," ein Satz
oder ein Bild. Bleiben Sie in Berührung mit dem felt sense", bis Worte oder
Bilder kommen, die genau dazu passen.
Vergleich
Gehen Sie hin und her zwischen dem felt sense und dem Wort (oder Satz oder Bild).
Prüfen Sie, wie gut beide zusammenpassen. Achten Sie darauf, ob ein kleines körperliches
Signal Ihnen bestätigt, dass Sie das richtige Wort gefunden haben.
Um das herauszufinden, müssen Sie sich
sowohl den felt sense" als auch das Wort vergegenwärtigen.
Wenn sich der felt sense"
verändert, muss sich auch das Wort oder das Bild verändern, bis es genau die Eigenschaft
des felt sense" trifft.
Fragen
Nun fragen Sie: Woran liegt es, dass dieses Problem in mir dieses bestimmte
Gefühl hervorruft?" (das Sie soeben benannt oder mit einem Bild umschrieben haben).
Achten Sie dabei darauf, dass Sie den
felt sense" wieder spüren, frisch und lebendig (und nicht nur in der
Erinnerung). Wenn er da ist, berühren Sie ihn, fühlen Sie ihn, fragen Sie: Was ist
in diesem Gefühl?" Sollten Sie darauf eine schnelle Antwort erhalten, ohne dass ein
shift" im felt sense" eintrifft, lassen Sie diese Antwort an sich
vorübergehen. Wenden Sie Ihre Aufmerksamkeit wieder Ihrem Körper zu und suchen Sie den
felt sense" erneut. Dann fragen Sie wieder. Bleiben Sie in Kontakt mit dem
felt sense", bis die Antwort mit einem shift" (einer körperlichen
Erleichterung und Entspannung) eintrifft.
Aufnahme
Empfangen Sie alles, was mit einem shift" kommt, in einer
entgegenkommenden Haltung. Lassen Sie es eine Weile auf sich wirken, selbst dann, wenn es
nur eine leichte Entspannung war. Was auch immer kommt, es handelt sich nur um einen
einzelnen shift" unter mehreren, die noch eintreffen werden. Nach einer kleinen
Weile werden Sie weiterfahren wollen, doch vorerst halten Sie einen Moment ein.
Wenn Sie beim Lesen dieser Instruktionen
irgendwo eine kleine Weile damit verbracht haben, auf ein unklares, umfassendes
körperliches Empfinden eines Problems zu horchen, dann war das Focusing. Es spielt dabei
keine Rolle, ob ein body shift" eintrat oder nicht. Er kommt ohne unser
Dazutun. Wir haben keine Kontrolle darüber.
Literaturhinweise:
SIEMS Martin
DEIN KÖRPER WEISS DIE ANTWORT
Focusing als Methode der Selbsterfahrung. Eine praktische Anleitung.
Rowohlt Verlag, Hamburg 1986, rororo 7968
GENDLIN, Eugene T.
FOCUSING
Technik der Selbsthilfe bei der Lösung persönlicher Probleme.
Otto Müller Verlag, Salzburg 1982
GENDLIN, Eugene, T.
DEIN KÖRPER - DEIN TRAUMDEUTER
Otto Müller Verlag, Salzburg 1987
GENDLIN Eugene T.
FOCUSING-ORIENTIERTE PSYCHOTHERAPIE
Ein Handbuch der erlebensbezogenen Methode
Pfeiffer Verlag 1998, 480 Seiten, Fr. 66.-- (1998)
WILD-MISSONG Agnes
NEUER WEG ZUM UNBEWUSSTEN
Focusing als Methode klientenzentrierter Psychoanalyse.
Otto Müller Verlag, Salzburg 1983 |